30.07.11

Termin im Amtsgericht

Wie ich gestern überraschend erfahre, muss ich mir heut ein wichtiges Dokument beim Amt besorgen. Es ist Freitag, und ich habe den Vormittag Zeit, herauszubekommen, wo ich hin muss. Ich google mir die Dienststelle und rufe dort an.
"Nein, da sind Sie hier falsch. Da müssen Sie zum Amtsgericht. Warten Sie, ich gebe Ihnen mal die Durchwahl."
Habe ich schonmal erwähnt, dass ich Menschen aus Ämtern immer sehr nett finde? Ich verstehe überhaupt nicht, wenn Andere schimpfen. Ich meine, ich schließe nicht aus, dass das, was sie dort erleben, auch wirklich stattfindet. Ich kann allerdings für mich sagen, dass mir bisher ausschließlich nette und hilfsbereite Menschen dort begegnet sind.

Das Ganze hat mit facebook jetzt natürlich nicht das Geringste zu tun. So wie auch ich.



"Bis 14.00 Uhr können Sie kommen, danach schließen wir." sagt die freundliche Mitarbeiterin aus der richtigen Abteilung. Gut, dass ich angerufen habe. 14.00 Uhr, das kann ich schaffen. Mein Sohn fährt heute zu einem Workshop, wir müssen noch fertig packen und kommen um 13.00 Uhr los. Das ist knapp. Selbst in meiner Timeline, und das will was heißen.

Glücklicherweise sind Ferien. So gelingt es mir, in Rekordzeit zum Ziel zu gelangen. Ich frage mich nach dem richtigen Amtszimmer durch, und klopfe um 13.45 Uhr an die Tür des Raums 1209.

"Ja bitte?"
"Guten Tag!" grüße ich, etwas außer Atem, den Herrn der am ersten Schreibtisch sitzt. Als ich den Blick durch das große Zimmer schweifen lassen, stelle ich fest, dass er sich allein im Raum befindet. Alle anderen Schreibtische sind leer. Naja, es sind ja Ferien.
"Bin ich hier richtig? Ich brauche eine Urkunde."
"Tut mir leid." antwortet er.
"Ich meine, bin ich hier richtig für eine Soundso-Urkunde?"
"Ja, schon," er nickt und schüttelt dann den Kopf. "Aber wir haben geschlossen."
"Es ist doch noch gar nicht 14.00 Uhr!" entgegne ich irritiert.
"Das stimmt," sagt er, "aber schauen Sie mal da auf das Schild, dann können Sie vielleicht verstehen, was ich Ihnen sage. Wir haben schon geschlossen."
Ich drehe mich um. Öffnungszeit Freitag: bis 13.00 Uhr.
"Oh nein! Das kann nicht sein. Ich habe doch extra angerufen, und Ihre Kollegin hat mir gesagt, dass Sie bis um 14.00 Uhr auf haben."
Ich bin ein bisschen fassungslos. Was habe ich mich beeilt, und dann so etwas. Ich brauche dieses Dokument ganz dringend.
"Ich komme extra aus dem Norden angereist... was mache ich denn jetzt?"
Ich schildere ihm kurz meine Lage.
"Tja." sagt er, während er auf seinen Monitor schaut. "Haben Sie Ihre Papiere dabei?"
Ich leere meine Tasche hektisch auf dem Tresen aus und krame schließlich meinen Ausweis heraus.
"Oh, leider habe ich nichts dabei, was meinen Wohnort bestätigt."
Wie konnte ich das nur vergessen? Etwas hektische Achtsamkeit hätte bei der Abfahrt wohl geholfen. Aber das ist ja nichts Neues.
"Ach, schauen Sie mal, hier, ein Brief an meinen Sohn, da steht die Adresse drauf."
Was für ein Glück!
"Geben Sie mal her."
Als er wieder vor seinem Computer sitzt, stehe ich schweigend da. Was macht er denn? Guckt er doch mal nach? Hat er noch gar nicht geschlossen? Ich freue mich.
"Haa" seufze ich, "Was habe ich für ein Glück, dass Sie so nett sind." rutscht es mir noch heraus.
Er dreht sich zu mir um.
"Was soll das denn werden?"
"Naja, ich meine, Sie hätten mich ja auch wieder wegschicken können. Das haben Sie nicht getan. Das ist doch sehr nett." rechtfertige ich mich ein wenig unsicher.
"Naja, wenn Sie so nett daher kommen, kann ich Sie doch nicht einfach wieder wegschicken." sagt er jetzt.
"Na, was machen Sie denn jetzt?"
"Ich werfe den Ball wieder zurück", antwortet er, und ich glaube, er schmunzelt.
"Ach. Sie sind ja einer! Und jetzt?" frage ich ihn "Soll ich ihn wieder zurück werfen?"
"Sie wollen doch wohl nicht Ball spielen hier." sagt er.
"Nein. Den behalt ich jetzt."
"Wie?" Er guckt mich fast enttäuscht an.
"Ja. Den behalte ich. Vielen Dank."
Er tippt auf der Tastatur herum, und dann druckt sein Drucker etwas aus.
"Wo Sie doch extra von so weit her gekommen sind. Welcher Bezirk genau?"
Ich antworte ihm und ergänze kurz, wie es sich begeben hat, dass ich ein kleines Häuschen bewohne.
"Sie sind ja ein Glückspilz!"
Ich freue mich sehr und bestätige "Ja!"
"Sind Sie glücklich?"
"Ja!" antworte ich aus ganzem Herzen.
"Haben Sie immer so ein Glück?"
Ich spüre direkt, wie meine Augen leuchten, und nicke leicht.
"Das macht 15 Euro" sagt er jetzt.
"Ja, gern. Ohje, wo ist denn mein Geld?" Ich krame, jetzt wieder hektisch.
Ach, das hatte ich ja gestern umgepackt.
"Ah, hier ist es ja." Puh!
Ich strahle ihn an.
"Also... " er schaut mich an, und zwinkert mit beiden Augen. "Sie bringen mich ja ganz durcheinander. So viel Glück!"
Ich kann richtig sehen, wie das Glück auf ihn überspringt. Vor Freude umfasst er meine Hand, väterlich, und drückt sie einmal kurz.
"Wie machen Sie das?" fragt er mich.
"Hier, ich gebe Ihnen einfach etwas von meinem Glück ab." Ich verneige mich leicht vor ihm, eine kleine Geste.
"Ich habe auch ein Buch darüber geschrieben. 'Ich tue NICHTS für Glück', das können Sie googeln. Es ist kostenlos, ein Blog, 365 Kapitel."
"Ich tue NICHTS für Glück... das habe ich schonmal gehört..." er überlegt.
"Meinen Sie? Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, es ist noch nicht so bekannt." wiegele ich ab. "Aber es wird mal ein Buch. Ich weiß nur noch nicht genau wie. Deshalb warte ich einfach ab."
"Ich tue NICHTS für Glück..." wiederholt er, nachdenklich.
"Ja, darin beschreibe ich, wie ich das mache. Ich war ja nicht immer so glücklich. Das habe ich erst gelernt. Und dann habe ich darüber geschrieben, damit andere das auch leicht lernen können."
Er steht auf, und reicht mir das Wechselgeld über den Tresen. Da steht er, auf der anderen Seite des Tresens, und sagt unvermittelt: "Verlieren Sie sich nicht."
"Nein, ganz bestimmt nicht. Keine Sorge!"
Er nickt, stutzt dann, schaut mich an und sagt "Nein, so kann ich Ihnen das nicht empfehlen. So eine junge, schöne und glückliche Frau wie Sie... ich meinte, verlieren Sie sich ruhig mal. Sie sind noch zu jung!"
"Nein, verlieren werde ich mich nie wieder. Das habe ich zu oft getan, früher. Ich nehme mich immer mit."
"Ja", nickt er "Sie nehmen sich immer mit. Ich meine, verlieren Sie sich ruhig mal in..." er sucht nach dem richtigen Wort "in... Genuss." Zufrieden nickt er über seinen Rat. "Ja, in Genuss."
"Mal sehen." sage ich. "Vielen vielen Dank! Und ein schönes Wochenende!"
"Ihnen auch!" Er lächelt.
Ich packe mein Dokument ein, drehe mich um und gehe.
Leichten Fußes. Das war wieder ein besonders schöner Termin im Amt.

2 Kommentare:

  1. christiane, kannste so perfekt schreim. ick finde det janz toll. und ick gloobe och daran, det da menschen jibt, die sich irjendwat an menschsein bewahrt ham. die christiane kann se dazu bring, det och zu zeijen. biste eenfach klasse.

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