27.01.11

Am Anfang war das blöd

Das allererste Mal habe ich von facebook 2006 auf Lamma Island/Hong Kong gehört. Ich hatte Jain kennengelernt, kurz vor unserem Abflug nach Taiwan. Wir hatten beide einen Latte Macchiato in dem kleinen Cafe, das kurz vorm Ablegesteg liegt, bestellt. Das war wohl der Aufhänger für unser Gespräch, wenn ich mich recht entsinne. Wahrscheinlich hätte es auch jedes beliebige andere Thema sein können. Wir sind beide derart kommunikativ, dass unser Kontakt sowieso zustande gekommen wäre. Es war ein nettes, sehr persönliches Gespräch, völlig real, mit echten Personen vis-à-vis. Sie fragte mich beim Abschied, ob ich auch in facebook sei. Und weil ich bis zu dem Zeitpunkt noch nie etwas davon gehört hatte, wollte ich kurz wissen, was das ist.
Sie beschrieb das damals so: "Es ist ein Netztwerk, jeder hat eine Seite, mit seinem Bild drauf, und man kann etwas über sich schreiben, und sich mit anderen verbinden."
"Oh, no!!" antworte ich und winke desinteressiert ab "I NEVER would join such an insecure data grabbing website."
Damit war eigentlich alles gesagt.
Weil wir in Kontakt bleiben wollten, tauschten wir unsere email Adressen aus, und Handynummern. Und schon bald traf die erste mail von ihr in meinem Postfach ein. Es war eine Einladung zu facebook. Als aufgeklärter Mensch der ich bin, habe ich das natürlich ignoriert. Alle weiteren Erinnerungen durch facebook habe ich selbstverständlich auch völlig uninteressiert entgegen genommen und sofort gelöscht.

2008 begegnet mir das Thema wieder. Ich bin mit meinem Freund auf Balkan Tour. Nach ein paar Tagen Aufenthalt in Beograd bei einem hospitalityclub Freund, Sergey, der mich 2007 über die Gastgeberwebseite kontaktiert und in Berlin besucht hatte, fahren wir zum Meteor Camp seines Professors nach Debelo Brdo, um die jährlichen Meteoritenschauer zu beobachten. Irgendwann kommt das Thema auf facebook.
"Seid ihr in facebook?" fragen uns die Studenten.
"Nein."
"Nein?? Wie könnt ihr denn ohne facebook leben?"
"Ehm... wie bitte?"
"Na, wie unterhaltet ihr euch denn mit euren Freunden?" Das Entsetzen in ihren Gesichtern ist nicht zu übersehen.
"Wie wie? Wir reden miteinander."
"Wie, ihr trefft euch?"
"Ja natürlich, wie denn sonst?"
"Wirklich? Du triffst deine Freunde?" Zum Entsetzen mischt sich eine feine Spur Ungläubigkeit.
"Ja, eh, klar. Ich habe viele Freunde."
"Toll..." Die Runde gibt sich einen kurzen Moment der Sprachlosigkeit hin.
"In Serbien ist jeder in facebook. Wenn du nicht in facebook bist, existierst du nicht. Alles läuft darüber. So weiß man immer, was die anderen machen." Aufgeregt reden sie durcheinander.
"Ich lade zu Partys nur noch über facebook ein. Wer das nicht liest, hat eben Pech gehabt." statet Markus.
"Das Tollste ist, das man sich gegenseitig Kühe schicken kann, oder ein Schaf." ergänzt Marie.
"Wozu??"
"Einfach um sich zu zeigen, dass man an den anderen denkt. Ohne viele Worte."
Kühe? Ein Schaf? Wie albern. Ich empfinde eine Mischung aus Mitleid, Nachsicht und Überheblichkeit. Facebook, pah, sowas brauche ich nicht. Ich habe echte Kontakte. Ich habe email. Ich habe Telefon. Und natürlich treffe ich Freunde, viele, und das regelmäßig.
"Nein, nein." wiegele ich milde ab.

Vier Wochen nach der Reise sitze ich zu Hause am Rechner. Ich will gerade Feierabend machen, da kommt mir die Idee, mir doch mal anzuschauen, was genau es ist, das ich so blöd finde. Ich melde mich bei facebook an. Das Telefon klingelt.
"Hey, wie gehts?" Dora klingt fröhlich. "Ich wollte mal hören, wie es dir geht. Was machst du so?"
Wir hatten uns 2007 in Indien kennengelernt. Und dort email Adressen ausgetauscht. Und Telefonnummern.
"Oh, gut! Danke der Nachfrage! Ich melde mich gerade bei facebook an. Nur so, mal gucken."
"Ich bin auch bei facebook. Wegen der internationalen Kontakte. Und der Bilder. Meld dich da bloß nicht an." warnt mich Dora.
"Nein, nein." wiegele ich ab. "Keine Sorge, ich schau mir das nur mal an. Immerhin will ich mal wissen, WIE blöd das ist." beruhige ich sie.
"Und wie gehts Dir?"

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