28.01.11

Zwangsmischer

Den Ausgleichsbeton kann man mit Tuppe und Handmixer anrühren. Oder mit einem Zwangsmischer, wie ich gestern erfahren habe. Das ginge viel einfacher, spare Kraft und Zeit, sagte mir ein Freund. Das überzeugt mich natürlich gleich. Man könne sie auch ausleihen, in Baumärkten, für etwa 12-15 Euro am Tag.
Zwangsmischer, was für ein merkwürdig beklopptes Wort. Um zu dechiffrieren, was dahinter steht, google ich erstmal "Zwangsmischer Mieten Berlin". Ich bekomme ein paar wenige Ergebnisse angezeigt, keines davon in Berlin, aber wenigstens kann ich mir schon mal ein Bild von dem Gerät machen.
Um vier vor 20.00 Uhr erreiche ich tatsächlich noch jemanden in der Mietwerkzeugabteilung eines Baumarkts. Zwangsmischer vermieten sie jedoch nicht.

Als ich am nächsten Morgen meine Recherche fortsetze, werde ich nach diversen Telefonaten doch noch fündig. Es gibt einen Zwangsmischer, der noch zu vermieten ist.
Kurz später stehe ich da, mit meinem Mietvertrag, und habe den Vermieter überredet mir zu helfen, den Zwangsmischer in mein Auto zu heben.
"Mein Auto ist eher klein." hatte ich ihn vorab an der Theke informiert.
"Hmm. Habe ich schon gesehen." antwortet er mit einem Blick, den ich deuten könnte, aber ich tu es lieber nicht.
Ich stehe schon am Auto, habe alles vorbereitet, Rückbank umgeklappt, Tücher ausgebreitet und mich mental darauf eingestellt, gleich einen großen Anteil der 80 Kg zu wuchten, denn ich sehe außer diesem Mann niemand anderen.
"Der passt nicht rein."
"Na sicher passt der rein. Wir müssen ihn mit den Rollen zuerst rein heben, so, dass sie dort rechts liegen. Wo sind denn die anderen starken Männer?" frage ich, und schaue mich sicherheitshalber nochmal um.
"Keiner da." Das reicht ja im Prinzip als Antwort aus.
"Ah, die werden schon kommen. Wir warten einfach." Also warten wir.
40 Sekunden später verliere ich die Geduld.
"Ich glaube, wir sollten vielleicht lieber jemand fragen." denke ich laut vor mich hin.
Er geht zurück in sein Büdchen und telefoniert. Gleich kommen bestimmt ein bis zwei kräftige Bauhausmitarbeiter, spekuliere ich so bei mir. Aber irgendwie tut sich nichts. Da erspähe ich ganz in der Nähe auf dem Parkplatz ein Auto, auf dem Beifahrersitz ein männliches Gesellschaftsmitglied. Der Wagen steht dort, das Fenster aufgekurbelt. Ich gehe mal hin, denke ich mir, kann ja nicht schaden. Als ich näher komme, sehe ich, dass eine Frau am Steuer sitzt.
Oh, vielleicht haben die ein Beziehungskrisengespräch oder ein Parkplatzrendevouz? frage ich mich und entscheide dann, dass eine kleine Abwechslung, nämlich einen Zwangsmischer in ein kleines Auto zu heben, sicher der Entspannung des Gesprächs dienlich ist.
"Sind Sie stark?" frage ich den Mann.
"Nein." antwortet er, und schüttelt den Kopf.
"Doch, bestimmt sind Sie das!" er kann mich doch nicht foppen, obwohl, wenn er ein Rückenproblem hätte, wär das natürlich blöd. "Es geht um meinen Zwangsmischer. Wir sind nämlich nur zu zweit, und der muss in mein Auto rein, da brauchen wir unbedingt Hilfe. Ist nicht schwer, bestimmt." locke ich ihn.
Ein Blick zur Frau, und dann steigt er aus.
"Hallo!" rufe ich in das Büdchen. Er telefoniert noch. "Ich habe jemand gefunden."
Zu dritt stehen wir nun vor dem Auto.
"Wollen Sie das Auto mit dem Betonmischer transportieren?" fragt der Neue.
Ich starre auf den Zwangsmischer, und dann auf mein Auto. Der war gut. Ich lache.
"Der passt da nicht rein." sagt er als nächstes. Der war nicht so gut, und ich lache auch nicht.
"Ja, habe ich auch gesagt." mischt sich der erste ein.
"Natürlich passt der rein. Den nehme ich jetzt mit. Los, fassen Sie mal mit an." Ich kippe den Zwangsmischer schon mal ein bisschen, um anzudeuten, dass es mir ernst ist.
Widerwillig heben sie die Maschine an.
"Das Unterteil zuerst" schlage ich vor.
"Dann liegt aber der Motor in der Mitte, das geht nicht."
"Wieso?" frage ich mich, und die beiden.
"Das ist zu schwer."
"Ach was, das Ding wiegt doch nur 80 Kg. Neulich habe ich Steinplatten und Betonsäcke mit bestimmt 250 Kg transportiert," übertreibe ich ein wenig, "da schafft der 80 locker!"
Sie heben ihn mit dem Oberteil nach vorn an. An der Öffnung bleiben sie hängen, der Durchmesser des Deckels ist zu groß. Umgehend stellen sie den Zwangsmischer wieder ab.
"Ich sage doch, der passt da nicht rein." Die Männer nicken sich bekräftigend zu.
Ich bin kurzfristig ratlos.
"Das kann ich nicht glauben. Ich dachte, das passt..."
"Jaja, wenn Frauen denken..." Sie werfen sich wissende Blicke zu, die beiden Männer. Ich sage jetzt mal nichts, beruhige ich mich, und scanne erneut die Größe der Maschine. Es passt, ganz sicher bin ich mir da. Etwas anderes will ich sowieso nicht glauben, denn schließlich will ich das Gerät mitnehmen. Ich will das.
"Ich muss dann mal." verabschiedet sich der zweite. Dann stehen wir wieder allein da.
"Also, ich bin sicher, dass es passt." sage ich dem Vermieter, der schon dabei ist, meine Maschine wieder zurückzurollern.
"Am besten, wir machen den Vertrag wieder rückgängig." Rückgängig, wie bitte?
"Hey!" begrüßt der Vermieter einen Mann, der nun die Szene betritt. Oh, denke ich, wie gut, er kann uns tragen helfen.
"Die da?" fragt er den Vermieter, der nickt, und dabei schaut er nicht auf mich, sondern auf meinen Zwangsmischer.
"Kannst du morgen haben. Sie ist für heute vermietet."
Ich schaue ihn an. Er ist gar nicht zum Helfen gekommen, der will meine Maschine.
"Die passt da niemals rein." Ohne es zu versuchen, geht er wieder.
Mittlerweile steht der Zwangsmischer wieder an seinem alten Platz.
"Das kann ich nicht glauben," sage ich zu dem Vermieter, "die passt da rein, bestimmt!"
Er guckt wirklich freundlich, und auch ein bisschen ratlos.
Ich habe das Gefühl, die Sache ist gelaufen. Trotzdem bleibe ich stehen. Den Zwangsmischer hier stehen lassen? Ohne wieder wegfahren? Und dann alles mit dem Handmixer mischen? Wie anstrengend das ist. Nein. Nein. Nein!
"Ich kann mich damit nicht abfinden!" Jetzt bin ich wieder bei mir. "Bitte, lassen Sie es uns noch einmal probieren. Nur noch einmal. Bitte!" Es ist nicht meine Art, aber jetzt lege ich mal ein Weibchengesicht auf. "Bitte." Ein bisschen Flehen, das schwache Geschlecht markieren. Wir sind schließlich auf dem Bau. Männer mögen das doch, oder?
"Na gut." Er schiebt den Zwangsmischer wieder zurück zu meinem Auto. Wir heben ihn zu zweit, diesmal bin ich stark genug. Ich will. An der Kante bleiben wir hängen. Wir stellen ihn wieder ab.
"Passt nicht, ich sage es ja."
"Bitte, jetzt machen wir es so, wie ich zuerst gesagt habe. Die Füße zuerst. So rein, dann kann er ruhig ein bisschen überstehen, er wird ja am Rand hängen bleiben, durch das Gewicht ist das sicher genug, der rutscht nicht raus."
Er ist schon fast drin, da bleibt ein Hebel an der Kante hängen.
"Passt nicht."
"Jetzt um 90° zu mir drehen." weise ich an.

Auf dem Weg nach Hause pustet die Heizung auf volle Pulle, die Klappe hinten steht ein bisschen offen. Ich singe laut zur Musik im Radio. Like a G6, Like a G6!!
"Das gibts nicht, das muss ich fotografieren, darf ich?" hatte der Vermieter mich bei meiner Abfahrt gefragt, und dann ein Nachher-Foto gemacht. Zu Hause poste ich vor Begeisterung das einzige Foto, das ich gemacht hatte. Ein Vorher-Foto.

Abends sitzen mein Sohn und ich beim Abendbrot. Ich brenne darauf, ihm endlich die sagenhafte Zwangsmischer-Geschichte zu erzählen.
"Weißt du, was mir heute passiert ist!?" hebe ich an.
"Nee, ich war noch nicht in facebook heute."

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