31.01.11

Gute Nacht Freunde

"Do any of us really know everybody on our friend list? Here is a task for you. I want all my fb friends to comment on this status about how you met me. After you comment, copy this to your status so I can do the same. You will be amazed at the results you get in 12 hours."

Das ist eine Statusaufgabe. So eine Art Kettenbrief. Zwei meiner fb-Freunde haben das heute als Statusmeldung gepostet. Ich mache bei so etwas nicht mit. Es reicht mir, dass die Leute wissen, mit wem ich bei fb bekannt bin. Woher ich sie kenne, geht, finde ich, nicht unbedingt alle etwas an.

Ich kann zu jedem meiner derzeit 333 fb-Freunde sagen, woher ich sie/ihn kenne, und zu jedem hätte ich mindestens ein kleines Geschichtlein zu erzählen.

Kontaktanfragen, die gemacht werden, weil xyz meiner fb-Kontakte schon mit der Person verbunden sind, lehne ich ab.

25 fb-Freunde kenne ich persönlich nicht. Weitere 3 oder 4 sind gar keine Person, sondern eine Gruppe. Schon allein deshalb kann ich sie nicht persönlich kennen. Ein Freund den ich gut kannte, ist bereits verstorben.

Alle anderen kenne ich entweder sehr gut, oder gut, oder wir sind uns mindestens einmal persönlich begegnet oder haben wenigstens mal telefoniert oder uns über ein persönliches Thema per email ausgetauscht.

Sechs von denen, die ich anfangs nicht kannte, habe ich mittlerweile persönlich getroffen.

Es sind nicht unbedingt die, die ich persönlich gut kenne, mit denen ich besonders engen fb-Kontakt hätte. Meine Familie zum Beispiel bleibt da eher auf Abstand, während andere, die ich sogar überhaupt nicht kenne, viel Kontakt zu mir pflegen. Es gibt da regelmäßig fruchtbaren Austausch. Oder einfach nur Austausch zum Spaß.

Innerhalb meiner Familie habe ich 8 Kontakte in facebook, 9, falls ich meinen Ex-Partner mitzählen würde. Meine längste Freundschaft besteht seit 43 Jahren. 

Meine fb-Freunde wohnen in 24 Ländern und haben noch mehr Herkunftsnationalitäten.

Mindestens 4 Personen haben seit Beginn unserer facebook-Verbindung ihr Konto gelöscht, diverse haben ihre Namen zur Unkenntlichkeit verändert, so dass ich sie heute vielleicht gar nicht mehr finden könnte. Eine hat ihr gelöschtes Konto nach einer Weile reaktiviert.

Diverse fb-Bekanntschaften, die ich anfangs aus Interesse an den Person zugesagt hatte, habe ich irgendwann wieder gelöscht, als mir klar wurde, dass es außer dem fb-Kontakt keinen weiteren persönlich motivierten Kontakt gibt. An Business-Bekanntschaften bin ich uninteressiert.

24 Kontakte habe ich ausgeblendet. Da sind durchaus auch welche dabei, mit denen ich persönlich bekannt bin. 

Mehrfache Werbung für das eigene Business motiviert mich dazu, jemand auszublenden. Wenn ich die Werbung als zu penetrant empfinde, lösche ich die Verbindung, sofern mir die Person nicht aus anderen Gründen weiterhin interessant für mein Leben erscheint.

Manchmal reduziert sich die Zahl der fb-Freunde, ohne dass ich jemand gelöscht hätte. Dann hat wohl jemand mich aus seiner Liste entfernt. Oder sich selbst aus facebook.

Ich habe vor anderthalb Jahren einmal mein Profil deaktiviert. Allerdings habe ich mich schon zwei Tage später wieder angemeldet.

30.01.11

Hallo, ist da jemand?

Es ist Wochenende, das Kind schläft, und du genießt den Abend allein zu Hause? Du hast Lust einen Film zu gucken? Ein Single-Mama-Klassiker. Tüte Chips, Getränk dazu, und dann niemanden haben, mit dem man darüber reden kann.
Bei Liebesschnulzen finde ich das ja sogar angenehm. Die gucke ich mir wirklich lieber allein an. Oft, ach immer eigentlich, bin ich bei Liebesdramen tränengerührt und schniefe weinend und lachend vor mich hin. Neulich habe ich Hachiko gesehen. Wie gut, dass ich da allein war!
Und dann gibt es die Filme, die ich mir lieber nicht allein angucke. Ich finde es blöd, wenn keiner da ist, mit dem ich darüber reden kann. So wie gestern. Da hatte ich mir Inception ausgeliehen. Ich hatte die Saison verpasst und jetzt kannten ihn alle schon. So blieb mir nichts anderes, als ihn allein anzuschauen. Endlich.
Um Mitternacht hatte ich bei facebook mitgeteilt, dass ich jetzt den Film sehen werde. Ich ahnte, dass ich danach Gesprächsbedarf habe. Den habe ich immer nach Kinofilmen. Außer Liebesschnulzen, wie gesagt.
Also, facebook Ansage. Es gab auch umgehend zwei Reaktionen.

Um 2.00 Uhr ist der Film durch. Normalerweise würde ich wohl ins Bett gehen. Nun leben wir aber im Zeitalter web2.0. Ich muss weder alleine damit fertig werden, noch eine/n meiner Freunde oder Freundinnen aus dem Bett klingeln (was ich sowieso nicht tun würde, es sei denn, es wäre was ganz dringendes).
Nein, einfacher. Ich logge mich ein, und dann gucke ich mal, wer noch so wach ist. Garantiert bin ich nicht die Einzige, die noch nicht schläft. Tatsächlich ist es am Wochenende sogar so, dass gerade um diese Uhrzeit nochmal viele reinschauen. Vielleicht sind sie gerade nach Hause gekommen. Oder ihr Partner schläft schon? Es ist mitunter erstaunlich lebhaft. So zu meinem Glück auch gestern.

Die beiden, die schon zuvor auf mein Post geantwortet hatten, sind tatsächlich noch online beschäftigt. Nennen wir sie Anja und Holger. Holger wohnt in der Schweiz. Wir kennen uns seit 27 Jahren. Anja und ich sind uns persönlich noch nicht begegnet, haben aber in einem Projekt mal miteinander telefoniert.
Holger hatte eine freche Bemerkung hinterlassen. Während des Films habe ich überlegt, wie sie zu kontern sei. Als ich nun schaue, entdecke ich, dass Anja bereits darauf reagiert hat. Noch frecher als Holgers Bemerkung. Ich bin amusiert. Wie ich sehe, haben die beiden schon ohne mich Bekanntschaft gemacht. Es entspinnt sich im Folgenden eine virtuelle Unterhaltung, aus der ich um fünf Uhr früh aussteige. Ich werde einfach zu müde. Anja und Holger 'sprechen' noch kurz weiter, obwohl sie sich eigentlich nicht kennen. Aber das spielt in web2.0 keine Rolle mehr. Später dann steigen noch andere ein. Insgesamt werden 53 Beiträge ausgetauscht. Mir hat das große Freude bereitet. Ach, das tut es immer noch. Ich musste nach dem Film nicht ohne Austausch schlafen gehen.

Mal echt, wer mir jetzt erklären will, dass nur vis-à-vis Kontakte gewinnbringend sind, der stößt bei mir auf Unverständnis. Kann sein, dass Menschen, die in einer Partnerschaft leben oder Single ohne Kind sind, immer jemand zum Reden haben, andere treffen oder mit anderen ausgehen können. Ich kann das seit Jahren nur selten.
Mittlerweile bin ich daran gewöhnt, abends allein zu sein. Falls ich nicht an Aufträgen arbeite, lese oder schreibe ich. Es ist wunderbar, und ich liebe diese Zeiten alleine. Aber manchmal ist es eben anders. Da fehlt mir der Kontakt zu Anderen. Mit facebook hab ich den jetzt. Ich finde das eine Bereicherung unserer neuen Zeit. Sie gesellt sich gerade rechtzeitig zu einem anderen Phänomen der neuen Zeit: Den Single-Mamas...
Gut so.

28.01.11

Zwangsmischer

Den Ausgleichsbeton kann man mit Tuppe und Handmixer anrühren. Oder mit einem Zwangsmischer, wie ich gestern erfahren habe. Das ginge viel einfacher, spare Kraft und Zeit, sagte mir ein Freund. Das überzeugt mich natürlich gleich. Man könne sie auch ausleihen, in Baumärkten, für etwa 12-15 Euro am Tag.
Zwangsmischer, was für ein merkwürdig beklopptes Wort. Um zu dechiffrieren, was dahinter steht, google ich erstmal "Zwangsmischer Mieten Berlin". Ich bekomme ein paar wenige Ergebnisse angezeigt, keines davon in Berlin, aber wenigstens kann ich mir schon mal ein Bild von dem Gerät machen.
Um vier vor 20.00 Uhr erreiche ich tatsächlich noch jemanden in der Mietwerkzeugabteilung eines Baumarkts. Zwangsmischer vermieten sie jedoch nicht.

Als ich am nächsten Morgen meine Recherche fortsetze, werde ich nach diversen Telefonaten doch noch fündig. Es gibt einen Zwangsmischer, der noch zu vermieten ist.
Kurz später stehe ich da, mit meinem Mietvertrag, und habe den Vermieter überredet mir zu helfen, den Zwangsmischer in mein Auto zu heben.
"Mein Auto ist eher klein." hatte ich ihn vorab an der Theke informiert.
"Hmm. Habe ich schon gesehen." antwortet er mit einem Blick, den ich deuten könnte, aber ich tu es lieber nicht.
Ich stehe schon am Auto, habe alles vorbereitet, Rückbank umgeklappt, Tücher ausgebreitet und mich mental darauf eingestellt, gleich einen großen Anteil der 80 Kg zu wuchten, denn ich sehe außer diesem Mann niemand anderen.
"Der passt nicht rein."
"Na sicher passt der rein. Wir müssen ihn mit den Rollen zuerst rein heben, so, dass sie dort rechts liegen. Wo sind denn die anderen starken Männer?" frage ich, und schaue mich sicherheitshalber nochmal um.
"Keiner da." Das reicht ja im Prinzip als Antwort aus.
"Ah, die werden schon kommen. Wir warten einfach." Also warten wir.
40 Sekunden später verliere ich die Geduld.
"Ich glaube, wir sollten vielleicht lieber jemand fragen." denke ich laut vor mich hin.
Er geht zurück in sein Büdchen und telefoniert. Gleich kommen bestimmt ein bis zwei kräftige Bauhausmitarbeiter, spekuliere ich so bei mir. Aber irgendwie tut sich nichts. Da erspähe ich ganz in der Nähe auf dem Parkplatz ein Auto, auf dem Beifahrersitz ein männliches Gesellschaftsmitglied. Der Wagen steht dort, das Fenster aufgekurbelt. Ich gehe mal hin, denke ich mir, kann ja nicht schaden. Als ich näher komme, sehe ich, dass eine Frau am Steuer sitzt.
Oh, vielleicht haben die ein Beziehungskrisengespräch oder ein Parkplatzrendevouz? frage ich mich und entscheide dann, dass eine kleine Abwechslung, nämlich einen Zwangsmischer in ein kleines Auto zu heben, sicher der Entspannung des Gesprächs dienlich ist.
"Sind Sie stark?" frage ich den Mann.
"Nein." antwortet er, und schüttelt den Kopf.
"Doch, bestimmt sind Sie das!" er kann mich doch nicht foppen, obwohl, wenn er ein Rückenproblem hätte, wär das natürlich blöd. "Es geht um meinen Zwangsmischer. Wir sind nämlich nur zu zweit, und der muss in mein Auto rein, da brauchen wir unbedingt Hilfe. Ist nicht schwer, bestimmt." locke ich ihn.
Ein Blick zur Frau, und dann steigt er aus.
"Hallo!" rufe ich in das Büdchen. Er telefoniert noch. "Ich habe jemand gefunden."
Zu dritt stehen wir nun vor dem Auto.
"Wollen Sie das Auto mit dem Betonmischer transportieren?" fragt der Neue.
Ich starre auf den Zwangsmischer, und dann auf mein Auto. Der war gut. Ich lache.
"Der passt da nicht rein." sagt er als nächstes. Der war nicht so gut, und ich lache auch nicht.
"Ja, habe ich auch gesagt." mischt sich der erste ein.
"Natürlich passt der rein. Den nehme ich jetzt mit. Los, fassen Sie mal mit an." Ich kippe den Zwangsmischer schon mal ein bisschen, um anzudeuten, dass es mir ernst ist.
Widerwillig heben sie die Maschine an.
"Das Unterteil zuerst" schlage ich vor.
"Dann liegt aber der Motor in der Mitte, das geht nicht."
"Wieso?" frage ich mich, und die beiden.
"Das ist zu schwer."
"Ach was, das Ding wiegt doch nur 80 Kg. Neulich habe ich Steinplatten und Betonsäcke mit bestimmt 250 Kg transportiert," übertreibe ich ein wenig, "da schafft der 80 locker!"
Sie heben ihn mit dem Oberteil nach vorn an. An der Öffnung bleiben sie hängen, der Durchmesser des Deckels ist zu groß. Umgehend stellen sie den Zwangsmischer wieder ab.
"Ich sage doch, der passt da nicht rein." Die Männer nicken sich bekräftigend zu.
Ich bin kurzfristig ratlos.
"Das kann ich nicht glauben. Ich dachte, das passt..."
"Jaja, wenn Frauen denken..." Sie werfen sich wissende Blicke zu, die beiden Männer. Ich sage jetzt mal nichts, beruhige ich mich, und scanne erneut die Größe der Maschine. Es passt, ganz sicher bin ich mir da. Etwas anderes will ich sowieso nicht glauben, denn schließlich will ich das Gerät mitnehmen. Ich will das.
"Ich muss dann mal." verabschiedet sich der zweite. Dann stehen wir wieder allein da.
"Also, ich bin sicher, dass es passt." sage ich dem Vermieter, der schon dabei ist, meine Maschine wieder zurückzurollern.
"Am besten, wir machen den Vertrag wieder rückgängig." Rückgängig, wie bitte?
"Hey!" begrüßt der Vermieter einen Mann, der nun die Szene betritt. Oh, denke ich, wie gut, er kann uns tragen helfen.
"Die da?" fragt er den Vermieter, der nickt, und dabei schaut er nicht auf mich, sondern auf meinen Zwangsmischer.
"Kannst du morgen haben. Sie ist für heute vermietet."
Ich schaue ihn an. Er ist gar nicht zum Helfen gekommen, der will meine Maschine.
"Die passt da niemals rein." Ohne es zu versuchen, geht er wieder.
Mittlerweile steht der Zwangsmischer wieder an seinem alten Platz.
"Das kann ich nicht glauben," sage ich zu dem Vermieter, "die passt da rein, bestimmt!"
Er guckt wirklich freundlich, und auch ein bisschen ratlos.
Ich habe das Gefühl, die Sache ist gelaufen. Trotzdem bleibe ich stehen. Den Zwangsmischer hier stehen lassen? Ohne wieder wegfahren? Und dann alles mit dem Handmixer mischen? Wie anstrengend das ist. Nein. Nein. Nein!
"Ich kann mich damit nicht abfinden!" Jetzt bin ich wieder bei mir. "Bitte, lassen Sie es uns noch einmal probieren. Nur noch einmal. Bitte!" Es ist nicht meine Art, aber jetzt lege ich mal ein Weibchengesicht auf. "Bitte." Ein bisschen Flehen, das schwache Geschlecht markieren. Wir sind schließlich auf dem Bau. Männer mögen das doch, oder?
"Na gut." Er schiebt den Zwangsmischer wieder zurück zu meinem Auto. Wir heben ihn zu zweit, diesmal bin ich stark genug. Ich will. An der Kante bleiben wir hängen. Wir stellen ihn wieder ab.
"Passt nicht, ich sage es ja."
"Bitte, jetzt machen wir es so, wie ich zuerst gesagt habe. Die Füße zuerst. So rein, dann kann er ruhig ein bisschen überstehen, er wird ja am Rand hängen bleiben, durch das Gewicht ist das sicher genug, der rutscht nicht raus."
Er ist schon fast drin, da bleibt ein Hebel an der Kante hängen.
"Passt nicht."
"Jetzt um 90° zu mir drehen." weise ich an.

Auf dem Weg nach Hause pustet die Heizung auf volle Pulle, die Klappe hinten steht ein bisschen offen. Ich singe laut zur Musik im Radio. Like a G6, Like a G6!!
"Das gibts nicht, das muss ich fotografieren, darf ich?" hatte der Vermieter mich bei meiner Abfahrt gefragt, und dann ein Nachher-Foto gemacht. Zu Hause poste ich vor Begeisterung das einzige Foto, das ich gemacht hatte. Ein Vorher-Foto.

Abends sitzen mein Sohn und ich beim Abendbrot. Ich brenne darauf, ihm endlich die sagenhafte Zwangsmischer-Geschichte zu erzählen.
"Weißt du, was mir heute passiert ist!?" hebe ich an.
"Nee, ich war noch nicht in facebook heute."

27.01.11

Wer weiß schon was?

Mein guter Freund Piotr ist ein Desinteressierter in Bezug auf die neue soziale Netzwerkwelt. Bei Xing hatte er vor etwa drei Jahren, obwohl hoch qualifiziert, bei Beruf 'Praktikant ' eingetragen. Nur so, aus Jux und Dollerei. Bis ich ihm vorschlug, dann lieber gar keinen Beruf einzutragen, weil die Leute die Datenangaben dort definitiv ernster nehmen als er. Ich glaub, er hat dann sein Profil gelöscht. Verbunden sind wir jedenfalls nicht dort. Obwohl wir schon seit 23 Jahren gut befreundet sind.
Facebook geht natürlich gar nicht. Für ihn. Leuchtet mir auch irgendwie ein.

Heute sind wir für abends verabredet. Er wohnt ja außerhalb von Berlin, auf dem platten Land, und kommt jeden Monat nur einmal her. Beim Telefonat am Nachmittag stellt sich heraus, dass seine Zeit diesmal zu knapp ist. Alternativ bietet er an, dass wir uns dann einfach nächstes Jahr treffen. Eine Art Freud'scher Versprecher tippe ich, wobei der gute Freud mit der Thematik ja eigentlich gar nix zu tun hat. Wir tauschten also am Telefon nur kurz die letzten Aktualisierungen unserer derzeitigen Lebensstatus aus.
"OK, dann, ich geh dann jetzt zum Yoga." verabschiede ich mich. Das Yoga hätte ich unserem Real Life Treffen geopfert, nun freue ich mich, doch hinzugehen.
"Ja, viel Spaß, wir sehen uns nächsten Monat."
"Ach, du, sag mal, weißt du schon, dass Franka im Krankenhaus ist?" werfe ich noch kurz ein. Ich weiß ja nicht, wieviel Kontakt sie gerade so haben. Vielleicht hat er das noch nicht mitbekommen.
"Nein, quatsch, ich hab sie erst gerade gesehen." widerspricht er.
"Nee, nee," korrigiere ich, "sie liegt seit gestern im Krankenhaus, Blindarm."
"Woher weißt du das?" Er ist natürlich darüber informiert, dass unser Kontakt seit geraumer Zeit nicht mehr so eng wie früher ist. Will heißen, wir sehen uns gar nicht mehr. Aber wir sind auf facebook befreundet.
"Na, das hat sie doch gestern gepostet. Auf facebook, du weißt schon. Noch ist sie nicht operiert worden, alle hoffen, dass es von alleine wieder weggeht. Manche raten ihr, sich unbedingt operieren zu lassen."
"..." sagt er, und "Hhh???" Die Fragezeichen interpretiere ich in das Geräusch hinein.
"Ach, und dein Freund Torge," jetzt bekomme ich grad Spaß an dem "Ich weiß was"-Spiel, "der lebt ja wohl auch lieber auf dem Land als am Helmi."
Torge und ich sind nicht befreundet. Immer wenn wir uns treffen, dann behakeln wir uns. Ich mag ihn aber trotzdem. Einmal hat er mich nach einer nächtlichen Zeche auf seinem Gepäckträger mitgenommen.
"Ja, wir haben uns gestern abend gesehen. Er ist umgezogen, nach Brandenburg."
"Ja, ich weiß, schöner Hof!"
"Woher...?"
"Ich hab ein Foto gesehen, sieht toll aus, total ruhig und abgelegen."
"Ich fasse es nicht." Piotr ist nur zu besonderen Anlässen fassungslos. "Kann ich mir gar nicht vorstellen. Wenn ich ihn frage, wie es ihm geht, dann sagt er höchstens 'naja, pfff, alles ok.' ... sowas postet der?"
"Ist doch schön, da kann ich mir schon etwas drunter vorstellen."
"Ich fass es nicht. Facebook."
"Lies mal meinen neuen Blog" lege ich ihm ans Herz. Ich weiß aber nicht, ob er das jemals tut. "Bis nächsten Monat also!"

Am Anfang war das blöd

Das allererste Mal habe ich von facebook 2006 auf Lamma Island/Hong Kong gehört. Ich hatte Jain kennengelernt, kurz vor unserem Abflug nach Taiwan. Wir hatten beide einen Latte Macchiato in dem kleinen Cafe, das kurz vorm Ablegesteg liegt, bestellt. Das war wohl der Aufhänger für unser Gespräch, wenn ich mich recht entsinne. Wahrscheinlich hätte es auch jedes beliebige andere Thema sein können. Wir sind beide derart kommunikativ, dass unser Kontakt sowieso zustande gekommen wäre. Es war ein nettes, sehr persönliches Gespräch, völlig real, mit echten Personen vis-à-vis. Sie fragte mich beim Abschied, ob ich auch in facebook sei. Und weil ich bis zu dem Zeitpunkt noch nie etwas davon gehört hatte, wollte ich kurz wissen, was das ist.
Sie beschrieb das damals so: "Es ist ein Netztwerk, jeder hat eine Seite, mit seinem Bild drauf, und man kann etwas über sich schreiben, und sich mit anderen verbinden."
"Oh, no!!" antworte ich und winke desinteressiert ab "I NEVER would join such an insecure data grabbing website."
Damit war eigentlich alles gesagt.
Weil wir in Kontakt bleiben wollten, tauschten wir unsere email Adressen aus, und Handynummern. Und schon bald traf die erste mail von ihr in meinem Postfach ein. Es war eine Einladung zu facebook. Als aufgeklärter Mensch der ich bin, habe ich das natürlich ignoriert. Alle weiteren Erinnerungen durch facebook habe ich selbstverständlich auch völlig uninteressiert entgegen genommen und sofort gelöscht.

2008 begegnet mir das Thema wieder. Ich bin mit meinem Freund auf Balkan Tour. Nach ein paar Tagen Aufenthalt in Beograd bei einem hospitalityclub Freund, Sergey, der mich 2007 über die Gastgeberwebseite kontaktiert und in Berlin besucht hatte, fahren wir zum Meteor Camp seines Professors nach Debelo Brdo, um die jährlichen Meteoritenschauer zu beobachten. Irgendwann kommt das Thema auf facebook.
"Seid ihr in facebook?" fragen uns die Studenten.
"Nein."
"Nein?? Wie könnt ihr denn ohne facebook leben?"
"Ehm... wie bitte?"
"Na, wie unterhaltet ihr euch denn mit euren Freunden?" Das Entsetzen in ihren Gesichtern ist nicht zu übersehen.
"Wie wie? Wir reden miteinander."
"Wie, ihr trefft euch?"
"Ja natürlich, wie denn sonst?"
"Wirklich? Du triffst deine Freunde?" Zum Entsetzen mischt sich eine feine Spur Ungläubigkeit.
"Ja, eh, klar. Ich habe viele Freunde."
"Toll..." Die Runde gibt sich einen kurzen Moment der Sprachlosigkeit hin.
"In Serbien ist jeder in facebook. Wenn du nicht in facebook bist, existierst du nicht. Alles läuft darüber. So weiß man immer, was die anderen machen." Aufgeregt reden sie durcheinander.
"Ich lade zu Partys nur noch über facebook ein. Wer das nicht liest, hat eben Pech gehabt." statet Markus.
"Das Tollste ist, das man sich gegenseitig Kühe schicken kann, oder ein Schaf." ergänzt Marie.
"Wozu??"
"Einfach um sich zu zeigen, dass man an den anderen denkt. Ohne viele Worte."
Kühe? Ein Schaf? Wie albern. Ich empfinde eine Mischung aus Mitleid, Nachsicht und Überheblichkeit. Facebook, pah, sowas brauche ich nicht. Ich habe echte Kontakte. Ich habe email. Ich habe Telefon. Und natürlich treffe ich Freunde, viele, und das regelmäßig.
"Nein, nein." wiegele ich milde ab.

Vier Wochen nach der Reise sitze ich zu Hause am Rechner. Ich will gerade Feierabend machen, da kommt mir die Idee, mir doch mal anzuschauen, was genau es ist, das ich so blöd finde. Ich melde mich bei facebook an. Das Telefon klingelt.
"Hey, wie gehts?" Dora klingt fröhlich. "Ich wollte mal hören, wie es dir geht. Was machst du so?"
Wir hatten uns 2007 in Indien kennengelernt. Und dort email Adressen ausgetauscht. Und Telefonnummern.
"Oh, gut! Danke der Nachfrage! Ich melde mich gerade bei facebook an. Nur so, mal gucken."
"Ich bin auch bei facebook. Wegen der internationalen Kontakte. Und der Bilder. Meld dich da bloß nicht an." warnt mich Dora.
"Nein, nein." wiegele ich ab. "Keine Sorge, ich schau mir das nur mal an. Immerhin will ich mal wissen, WIE blöd das ist." beruhige ich sie.
"Und wie gehts Dir?"

26.01.11

Giraffengeburt

Heute morgen, mache ich den Rechner an. gleich nach dem Aufwachen. Mein Sohn schnalzt mit der Zunge, als er das Startgeräusch hört. Dabei zieht er eine Augenbraue in die Höhe.
"Noch vor dem Frühstück? Mama!"

Seit vier Tagen verfolge ich das Treiben im Gelsenkirchner ZOOM Erlebnispark. Eine Facebookfreundin, eine ehemalige Kollegin die mich über den Kontakt zu einem anderen Ex-Kollegen gefunden hat, hatte den link gepostet.
Da freu ich mich wirklich sehr drüber, schon seit vier Tagen. Dank an Anne-Katrin. Gefunden hätte ich sie nicht, nachdem sie ihren Nachnamen wohl vor fünf Jahren, durch ihre Hochzeit, geändert hat. Sie hat übrigens heute morgen ihren Beziehungststaus auf verheiratet gestellt. Daher weiß ich das so genau. Ich heiße zum Glück nach wie vor Schinkel.

Sie postet also vor vier Tagen diesen link, den ich mir, weil ich kurz Zeit habe, ansehe. Ich bin sofort begeistert:

Ab sofort können Sie via Live Stream direkt in das Boma in der Erlebniswelt Afrika blicken, wo in den nächsten Wochen zwei Giraffenbabys das Licht der Welt erblicken werden. Bei der fünfjährigen Giraffendame Jadranka kann es jederzeit losgehen. Seien Sie live dabei, wenn eine kleine Giraffe auf den Boden der Erlebniswelt Afrika plumpst."

Nachdem ich letztes Jahr per Webcam über Wochen das Brüten und Aufwachsen kleiner Falkenküken in einem heimischen Kirchturm beobachten konnte, schätze ich diese Art der Naturbeobachtung sehr.
Real Life hin oder her; wer würde mir da aus eigener Erfahrung berichten können, vier kleine Falkenkinder täglich bis zum flügge werden beobachtet zu haben? Oder womöglich gar einer Giraffengeburt beizuwohnen?

Das erinnert mich an meine Reiterhofzeit. Mit 16 hatte ich nachts bei der hochschwangeren Stute geschlafen. Und tatsächlich: In der Nacht entband sie eine kleine Stute. Damals habe ich alles hautnah miterlebt. Das war natürlich toll. Ich durfte dem Fohlen sogar den Namen geben, weil ich sie als erste gesehen hatte. Carina hab ich sie genannt. Sie musste mit C anfangen. Ich weiß grad nicht mehr warum. Weil sie das dritte Fohlen war? Oder weil alle Nachfahren nach dem Anfangsbuchstaben des Hengstes benannt werden müssen? Vergessen.

Der Giraffen-Live-Stream läuft zur Zeit den ganzen Tag. Immer wenn ich Zeit habe, klicke ich mal drauf. Gestern war ich kurz der Meinung, ich hätte die Geburt verpasst und das Kleine sei schon da. Nach eingehender Beobachtung konnte ich dann jedoch das vermeintliche Giraffenbaby als Geäst, das sie den Giraffen zum Knabbern hingehängt haben, entlarven. Da war ich wirklich froh! Zugegebenermaßen hoffe ich wirklich, den großartigen Moment zu erwischen, wenn die Giraffe wirft. Heißt das so? Werfen Giraffen oder gebären sie? Warte, das google ich gerade mal...

Wie es scheint, gebären Giraffen, ebenso wie Menschen. Diese allerdings nicht aus 2 Meter Höhe. Man mag sich nicht ausmalen, was das für ein Menschenbaby bedeuten würde.

Wikipedia schreibt darüber:
"Die Tragzeit dauert 14 bis 15 Monate. In der Regel wird nur ein einziges Kalb geboren. Die Geburt erfolgt im Stehen, so dass die Neugeborenen aus zwei Metern Höhe zu Boden fallen. Neugeborene Giraffen sind etwa 50 Kilogramm schwer und 1,8 Meter hoch, erreichen so gerade das Euter der Mutter. Während ihre Beine zu diesem Zeitpunkt schon weit entwickelt sind, wächst ihr Hals postnatal noch auf die fast dreifache Länge an. Sie stehen innerhalb einer Stunde fest auf ihren Beinen und fangen nach wenigen Stunden an zu laufen. Allerdings werden die Kälber erst nach zwei bis drei Wochen mit der Herde vereint.
Ein Kalb bleibt etwa eineinhalb Jahre bei seiner Mutter. Mit vier Jahren wird es geschlechtsreif, mit sechs Jahren erreicht es die volle Größe. In der Wildnis können Giraffen 25 Jahre, in Gefangenschaft 35 Jahre alt werden.
Gegen Raubtiere verteidigen sich ausgewachsene Giraffen mit Schlägen ihrer Vorderhufe. Aufgrund ihrer Größe und Wehrhaftigkeit werden sie allerdings nur selten angegriffen. Jungtiere fallen dagegen häufig Löwen, Leoparden, Hyänen und Wildhunden zum Opfer. Trotz des Schutzes durch die Mutter erreichen nur 25 bis 50 Prozent der Jungtiere das Erwachsenenalter."

Während ich schreibe, habe ich schon mindestens fünf Mal in den Live Stream geklickt. Es ist schon dunkel jetzt, in Gelsenkirchen. Und die schwangere Giraffe ist wieder wach. Eben lag sie noch ruhend auf dem Boden. Jetzt frisst sie gerade. Sie frisst viel, finde ich. Überhaupt schläft sie sehr wenig, ist mir aufgefallen.

Natürlich könnte man mir auch einen Bären aufbinden. Man kennt das ja aus Meisterdieb-Filmen. James Bond zum Beispiel. Welcher Film war das noch? Als er auf die Mauer geklettert ist, und dort eine Projektion vor die Überwachungskamera gestellt hat, und der Wachmann dachte, alles wäre ruhig? Vielleicht war es auch nicht James Bond. Egal. Man könnte mir jedenfalls hier natürlich eine Konserve aufbinden. Tut man aber nicht. Denk ich mal. Konserve wäre in diesem Fall im Prinzip auch OK für mich.

Na, jetzt schau ich nochmal, ob was Interessantes in facebook gepostet wurde. Abends wird ein spezieller Teil der Zielgruppe aktiv, die Nachtaktiven. Die sind mir sehr lieb. Anscheinend bin ich lange nicht die einzige, die so einen Rythmus hat. Spät werden oftmals sehr interessante Themen geboten. Ich rechne dann mit nochmal 10 Minuten, nur eben checken. Vielleicht noch einen interessanten Kurzvortrag anschauen, oder einen Artikel lesen? Mal sehen. Gute Nacht dann mal. In etwa 10 Minuten.


 

Der Realist

Sven und ich haben uns gestern zum ersten Mal getroffen, auf dem Geburtstag eines Freundes. Heute nun sitzen wir nebeneinander beim Geburtstagfrühstück und wollen uns eigentlich unterhalten. Aber so richtig klappt das nicht. Er ist facebook Gegner, ohne zu wissen wie facebook ist, und ich bin es nicht, nicht mehr. Seit 2008. Ich war aber mal facebook Gegner. Ohne zu wissen wie facebook war.
Deshalb schmunzele ich jetzt ein bisschen. Er bringt viele meiner alten Argumente, dabei sieht er sehr ernst aus, seine Stirn wirft immer wieder Falten. Gegner sein verkrampft wohl ein bisschen. Ich kenne das. Früher war ich oft Gegner. Das habe ich mir zum Glück abgewöhnt. Fast, nur fast, muss ich mir eingestehen. Denn wenn ich jetzt betrachte, wie ich mich auch schon fast ein wenig verkrampfe im Dafürsein, dann entdecke ich, dass das Dafürsein eigentlich auch nur eine Form des Dagegenseins sein kann, nämlich für gegen das Dagegensein.

"Ich will mein Leben mit echten Dingen erleben." statet Sven.
"Ja, natürlich." kommentiere ich.
"Ich will reisen, Leute treffen und mich mit ihnen unterhalten."
Das gefällt mir. "Ja, das tue ich auch."
"Facebook ist einfach nicht das echte Leben."
"Was genau ist denn an facebook nicht echt?" frage ich verwundert.
"Na, lauter Leute, die man nicht kennt. Und alle wollen sie mit einem befreundet sein."
"Ich suche mir aus, wem ich die fb Freundschaft bestätige." berichte ich. " Da ist kaum einer dabei, den ich nicht schon im echten Leben getroffen oder gesprochen habe. Und wenn ich wirklich jemand nicht mehr sehen möchte, blende ich ihn aus, oder lösche den Kontakt."
"Das kann ich nicht." Warum er das nicht kann, bleibt im Laufe des weiteren Gesprächs offen. Ich schätze, das ist ein interessanter Punkt.
"Für mich ist es wie eine private Zeitung, und die Redakteure sind meine Bekannten." beschreibe ich meine Erfahrung. "Dementsprechend gestalten sich auch die Inhalte. Das ist sehr praktisch, da spar ich mir viel Recherche. Ich habe ja keinen Fernseher und keine Zeitung. Ich habe dort politisch interessierte Freunde, technisch versierte, musikinterressierte, literatur- kunst- und marketingbegeisterte Freunde. Viele erzählen von sich und ihren Erfahrungen. Manche trauen sich privat zu erzählen, andere bleiben geschäftlich. Jeder Mensch ist ja anders."
"Das ist totale Zeitverschwendung. Da lebe ich lieber mein echtes Leben." Er wirkt jetzt verspannt. 
 "Ja, klar, das tue ich ja auch."
"Ich treffe mich lieber mit echten Leuten."
"Ich auch."
"Und wenn dein Bild einmal drin ist, kann facebook damit machen was es will. Es gehört dir nicht mehr!" deckt er auf.
"Du brauchst doch kein Bild von dir einzustellen, nimmst du halt eine Zeichnung." Ich versteh das Argument nicht ganz.
Aber er deckt gerade die facebook Gefahr auf und ist jetzt nicht zu bremsen.
"Alles was du da schreibst, kann heimlich gelesen werden!"
"Naja, kommt auf die Privatsphäre-Einstellungen an, was?" überlege ich "Du kannst es ja auch so einstellen, dass du genau steuern kannst, wer was von deinen postings liest. Da gibt es Freundeslisten, Gruppen, du kannst ganz genau einstellen, wer was sehen darf. Wo ist das Problem?"
"Trotzdem!" schleudert er ein bisschen emotional hervor "Ich will einfach nicht von allen Post bekommen. Ich habe gar nicht die Zeit, das alles zu beantworten. Ich will auch gar nicht wissen, was die mir über ihr persönliches Leben schreiben."
Ich schaue ihn verwundert an. Spätestens an diesem Punkt weiß ich, dass er gar nicht weiß, worüber er spricht. Und ich sehe ihm seine Angst an. Die Angst vor dem Unbekannten.
"Post?" frage ich "Wer schreibt dir denn Post? Da bekommt man doch keine Post."
Später wird mir klar, dass er wohl posts gemeint hat. Aber in diesem Moment springt er schon vom Tisch auf und verlässt den Raum.

Später, als wir uns nochmal unterhalten und die Wogen wieder glätten, denn wir sind beide nette verträgliche Menschen, schreibt er mir noch seine email auf. Er hat mir angeboten, eine Bekannte von mir für sechs Tage bei sich unterzubringen, weil sie dringend für diese Zeit eine Unterkunft braucht. Obwohl er sie nichtmal gesehen hat bis jetzt. Ich finde das mindestens ebenso offen, freundlich, hilfbereit und sympathisch wie verwunderlich. Nach diesem vorangegangenen Gespräch jedenfalls.