Mein guter Freund Piotr ist ein Desinteressierter in Bezug auf die neue soziale Netzwerkwelt. Bei Xing hatte er vor etwa drei Jahren, obwohl hoch qualifiziert, bei Beruf 'Praktikant ' eingetragen. Nur so, aus Jux und Dollerei. Bis ich ihm vorschlug, dann lieber gar keinen Beruf einzutragen, weil die Leute die Datenangaben dort definitiv ernster nehmen als er. Ich glaub, er hat dann sein Profil gelöscht. Verbunden sind wir jedenfalls nicht dort. Obwohl wir schon seit 23 Jahren gut befreundet sind.
Facebook geht natürlich gar nicht. Für ihn. Leuchtet mir auch irgendwie ein.
Heute sind wir für abends verabredet. Er wohnt ja außerhalb von Berlin, auf dem platten Land, und kommt jeden Monat nur einmal her. Beim Telefonat am Nachmittag stellt sich heraus, dass seine Zeit diesmal zu knapp ist. Alternativ bietet er an, dass wir uns dann einfach nächstes Jahr treffen. Eine Art Freud'scher Versprecher tippe ich, wobei der gute Freud mit der Thematik ja eigentlich gar nix zu tun hat. Wir tauschten also am Telefon nur kurz die letzten Aktualisierungen unserer derzeitigen Lebensstatus aus.
"OK, dann, ich geh dann jetzt zum Yoga." verabschiede ich mich. Das Yoga hätte ich unserem Real Life Treffen geopfert, nun freue ich mich, doch hinzugehen.
"Ja, viel Spaß, wir sehen uns nächsten Monat."
"Ach, du, sag mal, weißt du schon, dass Franka im Krankenhaus ist?" werfe ich noch kurz ein. Ich weiß ja nicht, wieviel Kontakt sie gerade so haben. Vielleicht hat er das noch nicht mitbekommen.
"Nein, quatsch, ich hab sie erst gerade gesehen." widerspricht er.
"Nee, nee," korrigiere ich, "sie liegt seit gestern im Krankenhaus, Blindarm."
"Woher weißt du das?" Er ist natürlich darüber informiert, dass unser Kontakt seit geraumer Zeit nicht mehr so eng wie früher ist. Will heißen, wir sehen uns gar nicht mehr. Aber wir sind auf facebook befreundet.
"Na, das hat sie doch gestern gepostet. Auf facebook, du weißt schon. Noch ist sie nicht operiert worden, alle hoffen, dass es von alleine wieder weggeht. Manche raten ihr, sich unbedingt operieren zu lassen."
"..." sagt er, und "Hhh???" Die Fragezeichen interpretiere ich in das Geräusch hinein.
"Ach, und dein Freund Torge," jetzt bekomme ich grad Spaß an dem "Ich weiß was"-Spiel, "der lebt ja wohl auch lieber auf dem Land als am Helmi."
Torge und ich sind nicht befreundet. Immer wenn wir uns treffen, dann behakeln wir uns. Ich mag ihn aber trotzdem. Einmal hat er mich nach einer nächtlichen Zeche auf seinem Gepäckträger mitgenommen.
"Ja, wir haben uns gestern abend gesehen. Er ist umgezogen, nach Brandenburg."
"Ja, ich weiß, schöner Hof!"
"Woher...?"
"Ich hab ein Foto gesehen, sieht toll aus, total ruhig und abgelegen."
"Ich fasse es nicht." Piotr ist nur zu besonderen Anlässen fassungslos. "Kann ich mir gar nicht vorstellen. Wenn ich ihn frage, wie es ihm geht, dann sagt er höchstens 'naja, pfff, alles ok.' ... sowas postet der?"
"Ist doch schön, da kann ich mir schon etwas drunter vorstellen."
"Ich fass es nicht. Facebook."
"Lies mal meinen neuen Blog" lege ich ihm ans Herz. Ich weiß aber nicht, ob er das jemals tut. "Bis nächsten Monat also!"
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